„Der Konflikt tobt zwischen oben und unten – nicht zwischen Einheimischen und Zuwanderern!“

Gespräch mit der Vorsitzenden des DGB Berlin-Brandenburg Katja Karger: Gewerkschaften im Wandel und die Herausforderungen in Berlin

In einem ausführlichen Gespräch mit Katja Karger, der Vorsitzenden des DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) Berlin-Brandenburg, wurde die Rolle der Gewerkschaften in der heutigen politischen Landschaft thematisiert. Der DGB vertritt die Interessen der acht größten Einzelgewerkschaften in Deutschland, darunter ver.di, IG Metall und die GEW. Im Gespräch wurden zentrale Herausforderungen angesprochen, insbesondere die schwindende Tarifbindung, die Distanz zwischen Gewerkschaften und politischen Parteien sowie die Situation der Ausbildung in Berlin.

Der DGB als politischer Vertreter

Katja Karger erklärte zunächst die Rolle des DGB als Dachorganisation der Gewerkschaften. Der DGB führt keine Tarifverhandlungen, sondern ist in erster Linie ein politischer Vertreter der Gewerkschaften und agiert als Stimme der Arbeitnehmer:innen gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit. Seine Mitglieder, darunter große Gewerkschaften wie ver.di und IG Metall, übernehmen die direkte Verhandlung von Tarifverträgen und vertreten spezifische Brancheninteressen. Der DGB sorgt jedoch dafür, dass übergreifende Arbeitnehmeranliegen gebündelt und auf politischer Ebene artikuliert werden.

Schwächere Bindung der SPD an Gewerkschaften

Ein zentrales Thema des Gesprächs war die schwindende Bindung zwischen den Gewerkschaften und linken politischen Parteien, insbesondere der SPD. Katja Karger betonte, dass die enge Verbindung, die einst zwischen der SPD und den Gewerkschaften bestand, in vielen Teilen Deutschlands verloren gegangen ist. Während die SPD historisch stark mit den Gewerkschaften verwoben war, hat sich diese Beziehung im Laufe der Jahre abgeschwächt. In Hamburg sei die Situation jedoch anders: Dort gibt es beispielsweise einen festen Platz auf der Landesliste der SPD für Vertreter:innen der DGB-Gewerkschaften, was einen kontinuierlichen Dialog sicherstellt.

Karger betonte, wie wichtig solche institutionellen Verbindungen für eine starke Vertretung der Arbeitnehmer:inneninteressen in der Politik sind. Gewerkschaftsdialoge seien daher von großer Bedeutung, um die Interessen der Beschäftigten weiterhin in die politische Debatte einzubringen.

Geringe Tarifbindung in Berlin

Ein weiteres zentrales Problem, das Katja Karger ansprach, ist die geringe Tarifbindung, insbesondere in Berlin. Die Tarifbindung bezieht sich auf den Anteil der Beschäftigten, die unter tarifvertragliche Regelungen fallen, die geregelte Löhne und Arbeitsbedingungen sichern. In Berlin sei dieser Anteil vergleichsweise niedrig, was bedeutet, dass viele Beschäftigte außerhalb des Schutzes von Tarifverträgen arbeiten. Dies führe zu ungeregelten Arbeitsverhältnissen und teils schlechteren Bedingungen.

Karger forderte, dass sich die Lage hier ändern müsse, auch durch eine Vorbildfunktion des Landes Berlin. Sie kritisierte, dass selbst einige Landesbetriebe keine Tarifbindung besitzen, was ein falsches Signal sende. Gerade der öffentliche Sektor müsse mit gutem Beispiel vorangehen, um auch die Privatwirtschaft zu einer stärkeren Tarifbindung zu bewegen.

Ausbildungsplatzmangel in Berlin

Ein weiteres wichtiges Thema des Gesprächs war die Ausbildungssituation in Berlin. Katja Karger hob hervor, dass Berlin im bundesweiten Vergleich bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen weit hinten steht. Dies sei besonders alarmierend, da die duale Ausbildung ein wichtiges Fundament der deutschen Wirtschaft ist und jungen Menschen den Zugang zu qualifizierten Berufen ermöglicht.

Um dem entgegenzuwirken, plädiert der DGB für die Einführung einer Ausbildungsplatzumlage. Diese sieht vor, dass Unternehmen, die keine Ausbildungsplätze anbieten, eine finanzielle Abgabe leisten müssen, die wiederum für die Schaffung von Ausbildungsplätzen verwendet wird. Dies soll den Anreiz für Unternehmen erhöhen, mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, und sicherstellen, dass alle jungen Menschen eine faire Chance auf eine qualifizierte Ausbildung erhalten.

Fazit

Das Gespräch mit Katja Karger verdeutlichte die vielfältigen Herausforderungen, vor denen die Gewerkschaften heute stehen. Die schwindende Tarifbindung, die Distanz zwischen Gewerkschaften und der Politik sowie der Ausbildungsplatzmangel in Berlin sind drängende Themen, die dringend adressiert werden müssen. Der DGB spielt dabei eine zentrale Rolle als politischer Vertreter der Arbeitnehmer:innen und setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen, gerechte Löhne und mehr Ausbildungsplätze ein.

Insbesondere in Berlin ist es wichtig, dass das Land und die öffentlichen Betriebe eine Vorreiterrolle einnehmen und durch eine starke Tarifbindung sowie gezielte Maßnahmen im Bereich der Ausbildung ein Vorbild für die Privatwirtschaft sind. Der DGB wird weiterhin Druck auf die Politik ausüben, um diese Ziele zu erreichen und die Situation der Beschäftigten zu verbessern.

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