Ganz unten im System
Diskussion mit dem Journalisten Sascha Lübbe und Micha Klapp (Staatssekretärin für Arbeit und Gleichstellung)
In einer informativen und eindringlichen Diskussion beleuchteten der Journalist Sascha Lübbe und Micha Klapp, Staatssekretärin für Arbeit und Gleichstellung in Berlin, die oft schwierigen Lebens- und Arbeitsbedingungen von Arbeitsmigrant:innen in Deutschland. Der Fokus lag dabei insbesondere auf den Bereichen Logistik, Bau und Fleischindustrie, wobei aber auch weitere Branchen wie Reinigung, Pflege und Gastronomie thematisiert wurden.
Sascha Lübbe: Die Situation der Arbeitsmigrant:innen
Sascha Lübbe beschrieb anschaulich die prekären Bedingungen, unter denen viele Arbeitsmigrant:innen in Deutschland arbeiten. Er machte dies anhand von lebendig geschilderten Berichten Betroffener deutlich und wies darauf hin, dass ein erheblicher Teil des Wohlstands auf den Schultern dieser Menschen erwirtschaftet wird. Besonders betroffen sind die Bereiche Logistik, Bau und die Fleischindustrie.
Die Problematik beginnt oft bei den Wohnverhältnissen: Viele Arbeitsmigrant:innen leben in überfüllten und überteuerten Wohnheimen oder Gemeinschaftsunterkünften, oft ohne Zugang zu adäquaten Küchen oder sanitären Einrichtungen. Die schlechte Wohnsituation wird verschärft durch den Druck, der auf den Arbeiter:innen lastet – wenn sie sich weigern, den ausbeuterischen Arbeitsbedingungen zu folgen, droht nicht nur der Verlust des Arbeitsplatzes, sondern auch der Unterkunft. Für Nicht-EU-Bürger:innen kann dies sogar den Verlust ihres Aufenthaltsstatus bedeuten.
Ein weiteres großes Problem ist die Vergabe von Aufträgen an Sub- und Sub-Subunternehmer. Diese Praxis erschwert es den Betroffenen oft, rechtliche Schritte einzuleiten, wenn sie etwa um ihren Lohn betrogen werden oder Schwarzarbeit im Spiel ist. Lübbe betonte, dass viele Arbeitsmigrant:innen ihre Familien über Jahre hinweg in ihren Heimatländern zurücklassen müssen, was eine immense psychische Belastung darstellt.
Er stellte auch klar, dass diese prekären Bedingungen nicht nur auf die genannten Branchen beschränkt sind, sondern auch in anderen Sektoren wie der Reinigung, Pflege und Gastronomie weit verbreitet sind. Dennoch gab es in der Fleischindustrie bereits positive Veränderungen, insbesondere durch das Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in den Schlachthöfen – zumindest bei den Fleischer:innen selbst, wenn auch nicht bei den Reinigungskräften. Für weitere Verbesserungen forderte Lübbe deutlich mehr Kontrollen durch den Zoll sowie niedrigschwellige Beratungsangebote für die Betroffenen.
Micha Klapp: Maßnahmen des Landes Berlin
Micha Klapp hob hervor, wie wichtig das Thema der Arbeitsmigrant:innen für das Land Berlin ist. In diesem Zusammenhang nannte sie die finanzielle Aufstockung der Berliner Beratungsstelle für Migration und Gute Arbeit (BEMA), die ein wichtiges Beratungsangebot für Arbeitsmigrant:innen darstellt. Auch das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi) in Berlin wird personell verstärkt, um die Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze besser zu kontrollieren.
Darüber hinaus ging Klapp auf die Forderungen der Gewerkschaften nach einem weiteren Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen in anderen Branchen ein. Zwar gibt es von gewerkschaftlicher Seite deutliche Forderungen in diese Richtung, doch wies sie darauf hin, dass es erhebliche rechtliche Hürden gibt, die solche Maßnahmen erschweren.
Fazit
Die Diskussion verdeutlichte eindrucksvoll die vielen Schwierigkeiten, mit denen Arbeitsmigrant:innen in Deutschland konfrontiert sind, und zeigte zugleich erste positive Entwicklungen auf, insbesondere in der Fleischindustrie. Allerdings bleibt noch viel zu tun, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Betroffenen zu verbessern. Die Forderungen nach strengeren Kontrollen, mehr Beratung und einer weiteren Eindämmung von Leiharbeit und Werkverträgen stoßen auf rechtliche und strukturelle Hürden, aber die politische Bereitschaft, hier Verbesserungen zu schaffen, ist zumindest auf Länderebene deutlich erkennbar.
Das Gespräch zwischen Sascha Lübbe und Micha Klapp war ein wichtiger Beitrag, um die oft unsichtbaren Probleme der Arbeitsmigrant:innen stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und Lösungsansätze zu diskutieren.